BUND Kreisverband
Groß-Gerau

Wasser für den Riedwald

Wasser für den Riedwald

Die Wälder im Hessischen Ried haben für den Naturschutz allerhöchste Bedeutung. Unmittelbar am Rhein liegen in Hessens größtem Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue“ europaweit einmalige Auwälder. Weiter landeinwärts finden sich auf großer Fläche alte, ökologisch herausragende Eichenwälder. Die Wälder sind ein unersetzlicher Erholungs- und Lebensraum. Etwa die Hälfte der 30.000 Hektar umfassenden Waldfläche wurde als Naturschutzgebiet, EU-Vogelschutzgebiet oder als Schutzgebiet nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen. Vor allem in den oft weit über 100 Jahre alten und an hohe Grundwasserstände angepassten Eichen- und Buchenwäldern haben große Bestände seltener Tierarten überlebt. Nirgendwo in Hessen findet man so viele Bechsteinfledermäuse, Mittelspechte oder Hirschkäfer wie hier.

Doch dieser einmaligen Vielfalt droht eine tödliche Gefahr! Die Wälder befinden sich seit rund 60 Jahren in einem Überlebenskampf, weil die Grundwasserentnahme zur Versorgung des Rhein-Main-Gebietes mit Trinkwasser den Wurzelraum ausgetrocknet hat.

Grundwasserabsenkung im Hessischen Ried

Den Wald im Hessischen Ried gibt es bereits seit über 1.200 Jahren. Im Spektrum unserer Riedwälder entfaltet sich der höchste Artenreichtum von Tieren und Pflanzen in alten Laubmischwäldern. Vorzugsweise Eichen und Buchen bieten mit ihren Kronen, Stämmen, Wurzelstöcken und nicht zuletzt mit ihrem Totholz zahlreichen Tier- und Pflanzenarten eine Lebensgrundlage. Diese reichhaltige Naturlandschaft ist seit Jahrzehnten immer stärker vom Absterben bedroht.

In den 1960er Jahren wurde begonnen, riesige Mengen Grundwasser für den Großraum Frankfurt zu fördern. Der Grundwasserspiegel sank daraufhin innerhalb weniger Jahre um bis zu sieben Meter ab. Zuerst starben auf großer Fläche die Erlen. Nach und nach kamen aber auch andere Laubbäume wie Eichen und Buchen stark unter Stress. So starben bisher 10.000 Hektar des ursprünglichen Waldgebietes ab.  Außerdem zeichnen sich in der Rheinebene bereits seit etwa 20 Jahren die Folgen des Klimawandels ab: Das durchschnittliche Temperaturniveau steigt an. Die Wälder sind also noch mehr auf die Versorgungsreserve Grundwasser angewiesen, um die Phasen hoher Sommertemperaturen bei gleichzeitig geringen Niederschlägen zu überstehen. 

Tatsächlich ist zwar der Wasserverbrauch im Rhein-Main-Gebiet in den letzten 20 Jahren um ein Fünftel gesunken. Trotzdem soll künftig noch mehr Wasser aus dem Ried gepumpt werden: Das Regierungspräsidium Darmstadt hat den Wasserversorgern erhöhte Förderrechte für 30 Jahre neu bewilligt. Das würde das Schicksal des Laubwaldes besiegeln. Deswegen geht der BUND gegen den Förderbescheid gerichtlich vor. 

Hintergrund der Grundwasserabsenkung im Hessischen Ried

 

Die Wälder im Hessischen Ried haben für den Naturschutz allerhöchste Bedeutung. Unmittelbar am Rhein liegen in Hessens größtem Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue“ europaweit einmalige Feuchtwälder. Die Wälder sind ein unersetzlicher Erholungs- und Lebensraum. Etwa die Hälfte der 30.000 Hektar umfassenden Waldfläche wurde als Naturschutzgebiet, EU-Vogelschutzgebiet oder als Schutzgebiet nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen. Vor allem in den oft weit über 100 Jahre alten und an hohe Grundwasserstände angepassten Eichen- und Buchenwäldern haben große Bestände seltener Tierarten überlebt.

Doch dieser einmaligen Vielfalt droht eine tödliche Gefahr! Die Wälder befinden sich seit rund 50 Jahren in einem Überlebenskampf, weil die Grundwasserentnahme zur Versorgung des Rhein-Main-Gebietes mit Trinkwasser den Wurzelraum der Bäume ausgetrocknet hat. 

Grundwasserbewirtschaftung und Waldprobleme

Aus dem einst sumpfigen Hessischen Ried westlich von Darmstadt bis Lampertheim mit ausgedehnten Feuchtwäldern und Nasswiesen entstand durch massive Entwässerungsprojekte die heutige Situation.

Die Entwässerung des Riedes erfolgte in vielen Etappen von der Rheinbegradigung unter Tulla (ab 1817), durch den Bau von Hochwasserdeichen im 19. Jahrhundert und die Entwässerung für den verstärkten Acker- und Feldfruchtanbau und der Siedlungserweiterungen. 

Heute ist das Ried geprägt:

  • durch unangepasste Bauweisen vieler Siedlungsgebiete
    • in Nassjahren: nasse Keller (wenn „weiße Wannen” zur baulichen Vorkehrung vor zu hohem Grundwasserstand fehlen und Keller zu tief gegründet wurden) und
    • in Trockenzeiten: Setzrisse durch den schwankenden Grundwasserstand.

  • durch Grundwasserförderung durch Industrie und Wasserversorgungsunternehmen, insbesondere in Waldgebieten, absterbende, sich auflösende Waldverbände.

Hier sollte der „Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried” aus den 1990er Jahren helfen. In ihm wurden Mindestgrundwasserflurabstände (zugunsten von Wald und Natur) und Höchststände (für Siedlungsgebiete) festgesetzt. Der BUND und andere Naturschutzverbände wurden bei seiner Aufstellung in einer Arbeitsgruppe des Hessischen Umweltministeriums beteiligt.

Leider entschärfte sich die Problematik nicht, obwohl bei Neugenehmigungen von Wasserrechten die Vorschriften des Planwerkes greifen sollten. Vor allem die Waldauflösung schritt fort.

Hinzu kamen Schadensereignisse für den Wald wie die Luftbelastung und deren Auswirkungen und das verstärkte Auftreten des Waldmaikäfers. Dessen Larven (Engerlinge), die zunächst an Graswurzeln, im zweiten und dritten Jahr aber auch an Baumwurzelwerk fressen, ertranken nicht mehr wie früher, wenn sie im Winter vor dem Frost in tiefere Bodenschichten wanderten.

Daher fordert der BUND: Es muss etwas geschehen, um die Auflösung des Waldes zu stoppen und endlich eine Waldsanierung einzuleiten.

Der BUND begrüßt den Schritt der Hessischen Landesregierung zur Einrichtung des Runden Tisches „Verbesserung der Grundwassersituation im Hessischen Ried“. Seine Vorstellungen, Forderungen und Lösungsansätze dokumentiert der BUND in den beiden Broschüren „Wasser für den Wald! – Lösungsvorschläge für die Grundwasserproblematik im Hessischen Ried” und „Chancen und Risiken für die Waldentwicklung im Hessischen Ried” Zur letzteren Broschüre gibt es auch eine Kurzfassung.

Unter Beteiligung aller Betroffenen (Wasserversorger, Forst, Landwirte, Hauseigentümer, Umweltverbände) wurden zahlreiche Optionen diskutiert und gelangte im April 2015 zu einer gemeinsamen Empfehlung:

  • Waldumbau ist geeignet und sollte umgehend begonnen werden, in FFH-und Vogelschutzgebieten strikt am Naturschutz orientiert.

  • In Teilbereichen kommt eine Anhebung des Grundwassers hinzu, beginnend mit dem Jägersburger/Gernsheimer Wald. Weitere Bereiche können folgen.

  • Eine Waldbewässerung könnte lokal und zeitlich begrenzt zu einer schnellstmöglichen Zustandsverbesserung beitragen.

BUND-Klagen gegen Wasserbescheide

Der BUND Hessen hat im September 2013 eine Klage eingereicht , da dem Wasserwerk Jägersburg eine Grundwasserentnahme bis 2043 zugesichert wurde, die sogar einherging mit einer Erhöhung der Entnahmemenge um 15% auf 21,5 Mio. m3/a . Die Folgeschäden für den Wald und Schutzgebiete wurden darin nicht angemessen berücksichtigt.

Einen Stopp der Wasserförderung hat der BUND Hessen nicht gefordert, denn die Trinkwasserversorgung soll jederzeit funktionsfähig bleiben. Die Bestrebungen des BUND sind darauf gerichtet, die rechtlich vorgeschriebene Erhaltung und Wiederherstellung der Wald-und Naturschutzgebiete durchzusetzen.

Die Klage des BUND wurde während der Verhandlungen am Runden Tisch ausgesetzt und im April 2015 deren Abschlussbericht an die Hessische Landesregierung übergeben. Doch diese ignorierte die Empfehlungen des Runden Tischs zur Grundwassererhöhung, und so nahm der BUND die Klage im Herbst 2015 wieder auf.

Obwohl weiterhin ein Schutzkonzept für den Riedwald bestand, erteilte das Regierungspräsidium Darmstadt 2018 einen weiteren Wasserbescheid für das Wasserwerk Allmendfeld über einen Zeitraum von 30 Jahren. Auch hier wurden die Schadenswirkungen auf ökologisch wertvolle Wald- und Schutzgebiete ignoriert. Daher hat der BUND erneut Klage eingereicht, um den Schutz für den Riedwald aufrecht zu erhalten.

Verwaltungsgericht bestätigt die Rechtsauffassung des BUND

Im August 2019 hat der BUND seine Klage in erster Instanz gewonnen. Darin hat das Verwaltungsgericht Darmstadt die Rechtsauffassung des BUND bestätigt, dass das Land verpflichtet sei, den Grundwasserstand soweit anzuheben, dass die europarechtlich geschützten Stieleichen-Hainbuchen- und Buchenwaldflächen in einen günstigen Erhaltungszustand zurückkehren können. Die Landesregierung ignoriert diesen deutlichen Rüffel des Gerichts und bestreitet weiterhin seine Rechtspflicht zur Rettung der geschützten Waldbestände und Arten.

Auf einer seit Jahren bekannten Schadensfläche von rund 10.000 Hektar reagierte das Land Hessen in 2020 – fünf Jahre nach dem einstimmigen Votum des Runden Tisches Grundwassersanierung – mit einer wenige Hektar umfassenden Versuchsfläche zur Oberflächenbewässerung, statt zur Grundwasseranhebung. Das Grundproblem besteht aber darin, dass die Wälder durch die Grundwasserentnahmen seit Jahren keinen Anschluss mehr ans Grundwasser haben und das im Oberboden gespeicherte Wasser nicht ausreicht. Was den Bäumen bleibt, ist zum Leben zu wenig. Die Folge ist ein sich über Jahrzehnte hinziehendes Siechtum. Dabei zeigen die aktuellen Waldschadensberichte, dass die Absterbeprozesse des Waldes im Ried durch den Klimawandel zusätzlich an Dynamik zunehmen.

Die Rechtslage ist unstrittig, denn der Jägersburger-Gernsheimer Wald ist nach den beiden europäischen Naturschutzrichtlinien als Vogelschutz- und als sogenanntes FFH-Gebiet ausgewiesen. Für solche Gebiete ist die Verpflichtung der zuständigen Behörden zur Wiederherstellung günstiger Erhaltungszustände für geschädigte Lebensräume ausdrücklich vorgeschrieben (vgl. Artikel 2 der EU-Richtlinie „zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten“, der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie.

Die Haltung vom hessischen Umweltministerium in dieser Frage ist für den BUND daher weder nachvollziehbar noch akzeptabel.

Das Klageverfahren geht weiter. Alle Parteien, nämlich der BUND, das Land Hessen und die beigeladenen Wasserversorger haben Widerspruch eingelegt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat für das Frühjahr 2024 einen Verhandlungstermin angesetzt.

Foto: Christine Allendoerfer

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