Gewässerfachmann Dr. Seel zu Gast bei BUND Veranstaltung
Leicht zu konsumieren war der Vortrag des ehemaligen Dezernatsleiters für Gewässergüte der hessischen Landesanstalt für Umwelt und Geologie (HLNUG) bestimmt nicht! Dennoch verfolgten die ca. 30 Teilnehmer der Veranstaltung: „Werden unsere Gewässer ausreichend geschützt?“ im Dezember den lehrreichen Ausführungen Dr. Seels mit großem Interesse.
Die im Titel gestellte Frage konnte Dr. Seel schon zu Beginn nur mit Nein beantworten: „Die von den EU Wasserrahmenrichtlinien festgelegten Qualitätsziele für 2015 sind bei uns nicht ansatzweise erreicht worden und werden auch 2027 nicht erreicht, wenn die Politik nicht energisch handelt.“ Es sei noch nicht lange her, da habe man sich von der Renaturierung der Bachläufe sehr viel versprochen. Zu nennen sei hier auch das hessische Programm der "100 wilden Bäche". Viele Teilnehmer zeigten sich sichtlich erstaunt, als der Referent jüngere Forschungsergebnisse zitierte. Danach kehrten empfindliche Wasserlebewesen auch nach Erreichung von naturnahen Fließzuständen nicht wieder zurück. „Es ist unumgänglich, das Übel bei der Wurzel zu packen: Die chemische Belastung muss runter. Die Reinigungsleistung der Kläranlagen muss dagegen hochgefahren werden“, so der Gewässerfachmann.
Ungewöhnlich und selten sei die besondere Problemlage in Ried und Region: Zum einen gebe es hier eine hohe Bevölkerungsdichte. Und damit sei nun mal eine hohe Abfall- und Chemikalienbelastung gegeben. Zum anderen verschärfe sich das Problem durch die hier vorherrschenden sandigen Oberböden. Denn dadurch versickerten die in die Bäche eingeleiteten Abwässer-Reste extrem schnell in den Untergrund und damit in das Grundwasser.
Anschließend thematisierte Dr. Seel die unterschiedliche Herkunft der verschiedensten Schadstoffe in unseren Fließgewässern. „Tausende Schadstoffe wie z.B. Arzneimittelrückstände, hormonaktive Substanzen, Haushaltschemikalien und Biozide belasten nicht nur die Gewässerlebewelt, sondern wandern in Richtung Trinkwasserbrunnen hinab.“ Entsprechend gelten viele Grundwasserbestände im Ried in der Beregnungstiefe von 7 bis 15 m als verschmutzt. Nur durch Verdünnung mit Wasser anderer Brunnen und Rheinwasserinfiltration könne man in den Wasserwerken der toxischen Spurenbelastung im Grundwasser beikommen. „Die Förderung von sauberem und gesundem Trinkwasser wird also für die Haushalte immer teurer. Außerdem gibt es ja zusätzlich das Problem, dass prekär große Mengen abgeschöpft werden für die Metropolregion, die Bestände sich verknappen und der Grundwasserspiegel örtlich absinkt...mit brisanten Folgen für einige Landstriche und einige Wälder", war der kritische Kommentar eines Veranstaltungsteilnehmers.
Einen Lösungsansatz, wie Schadstoffe und Kosten minimiert werden können, bieten laut Dr. Seel die 4. Reinigungsstufen der Kläranlagen. Als bedeutende Quelle von Schadstoffen könne man die kommunalen Kläranlagen allein von der Einleitungsmenge her ausmachen. Vor allem ausgeschiedene Arzneimittel rauschen durch die bisherigen Filteranlagen durch und bauen sich wie z.B. die Antileptika so gut wie nicht ab. Der Wasserexperte verwies auf unsere Nachbarländer wie z.B. die Schweiz, wo der Ausbau von 4. Reinigungsstufen gesetzlich vorgeschrieben sei. Er beschrieb deren wirkungsvolle Reinigungsleistung so: Mit der kombinierten Filtermethode von Ozon und Aktivkohle könnten vor Ort tatsächlich bis zu 80 % der Schadstoffe ausgesondert werden. Leider befinde sich von den 7 geförderten neuen Kläranlagen in Südhessen nur eine Anlage in Betrieb, nämlich die in Mörfelden- Walldorf. „Der Einbau von 4. Reinigungsstufen ist im Vergleich zu aufwändigen Gewässersanierungen vergleichsweise günstig und ist angesichts der riesigen Schadstoffbelastung im Kreis unabdingbare Gesundheitsvorsorge“, betonte Dr. Seel. Schon von daher müsse die auch vom BUND immer wieder erhobene Forderung nach gesetzlicher Pflicht zum Bau der 4. Reinigungsstufe in allen Klärwerken zügig umgesetzt werden.
Text: Jutta Stern
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