BUND Kreisverband
Groß-Gerau

NEIN zum geplanten XXL-Gewächshaus in Klein-Rohrheim!

20. Mai 2023

Dieses Schreiben des BUND Kreisverbandes Groß-Gerau dient zur ausführlichen Information, welche Argumente eindeutig gegen dieses Projekt sprechen.

Das Vorhaben wurde der Öffentlichkeit und den Kreistagsfraktionen aufwändig vorgestellt. Wie weit ein Verfahren zur Baugenehmigung vorangeschritten ist, wissen wir nicht. Nach unseren Informationen wäre der erste Schritt nach der Beratung im Bauausschuss ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung in Gernsheim. Davon ist aktuell noch nichts bekannt. Aber wenn es so weit ist, dann müssen wir gemeinsam schnell reagieren, um unsere Argumente zu verbreiten und eine Befürwortung der Pläne zu verhindern. Wenn wir es zeitlich schaffen, werden wir zu einer öffentlichen Versammlung einladen. Daher möchten wir schon vorab detailliert auf die Gefahren des Projekts hinweisen.

Die KlosterGut Gruppe baut nach eigenen Angaben als größter hessischer Gemüsebaubetrieb aktuell im großen Stil Gemüse wie Kürbis, Lauch, Blumenkohl, Zucchini, Spargel, Eisbergsalat (ca. 10 Mio. Packstücke/Jahr*), Romanasalat (ca. 16 Mio. Packstücke/Jahr*) etc. im Freilandanbau an, das u.a. über Aldi Süd, EDEKA und REWE vertrieben wird. (*= lt. Bericht Ried-Information vom 10.08.2022). Zum Firmen-Konsortium gehört auch die HofBodenGut GmbH und die Behr AG in Büttelborn. Es werden auf mehr als 800 ha Freilandgemüse, 420 ha Ackerbaukulturen, 45 ha Spargel und 10 ha Beeren u.v.m. angebaut zwischen Bauschheim und Klein-Rohrheim, im Ried sowie teilweise auch bei Mainz. Einer der Geschäftsführer von der „KlosterGut“-Gruppe, Herr Jirko Stiller, ist u.a. gleichzeitig Geschäftsführer von Behr Büttelborn Landwirtschaftsgesellschaft, bei „Gemüse-Garten Büttelborn GmbH“ und bei „HofBodenGut Klostereck GmbH“.

Dieses Unternehmen hat rund 110 ha Ackerland in Klein-Rohrheim (Stadtteil von Gernsheim) erworben und möchte direkt an der Gemarkungsgrenze zu Groß-Rohrheim, angrenzend an die B44, ein 9 ha (90.000 m²) großes, ganzjährig nutzbares Gewächshaus mit dazugehöriger Lager- und Aufbereitungshalle von 8.000 m2 und einem Sozialgebäude für die Mitarbeiter bauen.

Bauernhöfe statt Agrarfabriken!

Der BUND-Kreisverband Groß-Gerau lehnt die Pläne ab: Diese High-Tech-Turbo-Massenproduktion von Lebensmitteln auf einer Fläche von 13 Fußballfeldern ist ein Irrweg und kein ökologisch verantwortbarer Schritt in Richtung regionaler Versorgung und klimagerechter Landwirtschaft. Industrieller Intensivanbau durch Agrarfabriken ist für den BUND kein Zukunftsmodell für die Region. Stattdessen unterstützen wir wachsende Vielfalt eher kleinteiliger Bauernhöfe und Betriebe mit ressourcenschonender und biologischer Landwirtschaft. Dort werden ganzjährig abwechslungsreiche und gesunde Lebensmittel in respektvollem Umgang mit Tier und Natur erzeugt.

Transportwege:
In dem Gewächshaus sollen das ganze Jahr über Tomaten, Gurken und Paprika angebaut werden. Dabei handelt es sich um Gemüse, das „eigentlich“ nur über Sommer in unseren Breitengraden zu ernten ist. Gerne hebt Herr Stiller (einer der Geschäftsführer) hervor, dass der Transport von Südeuropa nach Deutschland wegen des Co² Ausstoßes nicht sinnvoll ist. Fakt ist: Der konventionelle Anbau von Tomaten während der Saison in der Region verursacht weniger als 0,1 kg CO2 pro kg Tomaten; beim Anbau in einem beheizten Gewächshaus sind es ca.9 kg Co² - mehr als das 90-fache! Zum Vergleich: Freilandtomaten aus Spanien liegen bei 6 kg CO2 und selbst Flugware von den Kanaren verursacht 7,2kg CO2/kg Tomaten. (Alle Zahlen sind inclusive Transport. Quelle: https://www.umweltdialog.de/de/verbraucher/lebensmittel/2015/Klimakiller-Tomaten-.php

Durch diese Daten wird deutlich, dass gerade bei Tomaten, Gurken und Paprika im Falle einer nicht saisonalen Produktion deutlich höhere Umweltlasten auftreten können als bei Importware, vor allem, wenn ungünstige Witterungsbedingungen technisch aufwendig kompensiert werden, z. B. durch das Beheizen im Gewächshaus. Ganz wichtig ist bei der Öko-Bilanzierung auch zu beachten, dass Transportaufwendungen im Vergleich zu Beheizung oder Kühlung in der Regel weniger Treibhausgasemissionen verursachen. Am allerbesten sind natürlich heimische während der Saison biologisch angebaute Tomaten mit 0,035 CO2/kg!

Kein Almeria im Südkreis!

Lichtverschmutzung:
Das Gewächshaus soll ganzjährig an sieben Tagen pro Woche betrieben werden und produktiv arbeiten, d.h. es wird künstliche Beleuchtung eingesetzt, um das Pflanzenwachstum zu fördern. Der Tagesrhythmus wird besonders im Winter extrem verlängert und hat wahrscheinlich eine deutliche Zunahme der Lichtverschmutzung mit negativen Auswirkungen für die Fauna zur Folge. Ein unbeleuchteter Acker ist immer dunkler als ein bewirtschaftetes Glashaus mit Tagverlängerung durch künstliches Licht, auch wenn die Beleuchtung auf LED-Technik basiert und die Verschattungssysteme eine unerwünschte Lichtwirkung in den benachbarten Außenbereich minimieren sollen!

Verkehr und Lärm:
Der Investor nannte 15 LKW bei der Projektvorstellung im Mai 2022 in der Stadthalle in Gernsheim, die täglich an- und abfahren werden und dazu ca. 18 PKW. Wie sieht die Rechnung für die Verkehrsbelastung aus, wenn allein 16 Mio. Gurken im Jahr und dazu noch riesige Mengen an Tomaten und Paprika verladen werden sollen!? Und es sollen dort 50 Arbeitsplätze (Lt. GG Echo vom 16.09.2022) entstehen, die vermutlich im Schichtbetrieb arbeiten, von daher wird sich die Anzahl der PKW-Fahrten um Einiges mehr erhöhen als von Herrn Stiller genannt.
Abweichend dazu wird im Bericht vom GG Echo 26.09.2022 nur von 3 LKW/Tag berichtet! Mindestens eine der Angaben ist wohl falsch. Überall, wo sich Menschen und Maschinen befinden, entsteht Lärm (An- und Abfahren sowie Rangieren der Fahrzeuge, Brummen der Lüftungs-, Heizungs- und Pumpanlagen, etc.), der dann unvermeidbar ist, aber für die Tier- und Umwelt nur negative Auswirkungen hat.

Die Verglasung des Gebäudes wird wie eine Prallmauer wirken, was den Lärmpegel im Neurod und im gegenüber liegenden Bereich erhöhen kann bzw. wird. Auch ein 5 m breiter Heckenstreifen und 80 m Entfernung des Gewächshauses zur Straße werden bei ungünstigen Windverhältnissen die Lärmbelästigung nicht verhindern.

Energiebedarf:
Das Gewächshaus soll mit einem Mix aus erneuerbarer Energie betrieben werden: Heizung zu 90 % mit oberflächennaher Erdwärme, zu 10% aus Biomasse. Ein altes Energiekonzept mit 85 % Biomasse und 15% Erdgas wurde inzwischen verworfen. Erdwärme müsste mittels Strom aus der Erde gepumpt werden. Der Tagesbedarf an elektrischem Strom soll mit Photovoltaikanlagen gedeckt werden, überschüssiger Strom wird ins Netz eingespeist.

ABER: Gerade in den Wintermonaten, wenn der Heizwärmebedarf am größten ist und am meisten künstliche Beleuchtung benötigt wird, kann der Strombedarf nicht durch Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Also: Nachts und im Winter muss mit zugekauftem Strom gearbeitet werden.

Welche Biomasse verwendet werden soll, ist nicht bekannt. Eigene Gemüsereste müssten erst getrocknet werden. Bedingt durch die bekannten Probleme in der Energieversorgung sollte das Heizen mit Hackschnitzeln der Raumheizung vorbehalten werden. Außerdem sind die dafür notwendigen An- und Abfahrten der Lkws in Betracht zu ziehen!

Eine CO2- positive Bilanz des Projektes durch ein Ingenieurbüro wird zwar behauptet, aber nicht belegt. Sie kommt wohl höchstens rechnerisch durch die angebliche Einsparung von 2 Millionen LKW - Kilometer aus Spanien und den Niederlanden zustande.

Wasserverbrauch:
Ein Teich in einer Größe von 21.000 m3 soll mit Regenwasser gefüllt werden, was dann für die komplette Bewässerung des XXXL-Gewächshauses ausreichend sein soll. Das bedeutet noch weiteren Flächenbedarf. Der Projektierer hat dabei die durchschnittliche Regenwassermenge der letzten 20 Jahre zu Grunde gelegt, obwohl die Regenwassermenge im Ried stetig abnimmt und dies auch im Zusammenhang mit dem Klimawechsel für die Zukunft prognostiziert wird. Die Hochrechnungen für zukünftige Regenmengen wurden demnach nicht berücksichtigt. Das erscheint wenig realistisch. Laut Bericht aus dem GG Echo vom 28.11.2022 sind in diesem Sommer 87 mm Regen in Hessen gefallen, so wenig wie noch nie seit Beobachtungsbeginn 1881. Weiter hieß es, dass wir in vier Jahren drei Dürre-Sommer in Hessen hatten. Es sollen 30% des eingesetzten Beregnungswassers in den Beregnungskreislauf zurück gehen. Das bedeutet aber, dass 70% verbraucht werden. Tomaten z. B. bestehen zu etwa 95 Prozent aus Wasser. Wasser, das in den Früchten zum Kunden geht, kann ja wohl nicht wiederverwendet werden und fehlt daher dem Grundwasser.Das Regenwasser wird dringender zur Bildung von Grundwasser benötigt, dessen niedriger Stand die Bäume im Gernsheimer Wald absterben lässt!

Und weiter: Lt. Projektierer ist „nur im Notfall“ für das Gewächshaus ein Rückgriff auf externes Wasser vorgesehen – ABER: Woher soll das zusätzliche Wasser kommen? Gibt es Hochrechnungen, um welche Wassermenge es sich evtl. handeln könnte und Lösungsvorschläge für ein worst - case - Szenario ? Zwar gibt es eine Wasseraufbereitungsanlage in Biebesheim, die das Wasser aus dem Rhein zur Bewässerung in eine Ringleitung bis nach Klein-Rohrheim bringt, aber daraus zusätzlich Wasser für das XXL - Gewächshaus zu entnehmen, scheint sehr unwahrscheinlich, da deren Kapazitäten jetzt schon erschöpft sind (lt. Bericht GG Echo vom 26.04.2022) und extremes Niedrigwasser im Rhein (als Folge der Trockenheit) dies unmöglich macht.

Firmenstruktur: Konsortium an Firmen
Das Projekt des XXXL-Gewächshauses wird von einem Konsortium von ca. 10 Firmen vorangetrieben, die primär darauf bedacht sind, Profite zu machen. Soll ein Großinvestor den Freibrief erhalten, das Landschaftsbild ganz nach seinen Vorstellungen zu verschandeln? In einem Bericht der Ried-Information vom 10.08.2022 sagt Herr Stiller selbst, dass sein Betrieb eher ein unternehmerischer und kein landwirtschaftlicher Betrieb ist.

Weiter wird im Bericht ausgeführt, dass die Firmenstruktur auch der Risikostreuung dient. Und was ist, wenn tiefrote Zahlen erwirtschaftet werden? Haben dann die Banken bzw. Aktionäre das Nachsehen, die lt. Bericht in der FAZ vom 22.08.2022 an dieses „Zukunftskonzept“ glauben? Kommt dann ein neuer Investor ins Spiel? Oder haben wir dann eine Industriebrache in der Landschaft stehen? Die GmbHs haften lediglich mit mindestens 20.000 € Eigenkapital, d.h. ein Rückbau ist finanziell nicht abgesichert.

Verdrängung herkömmlicher Bauern, Höfesterben:
Lt. Aussage von dem Geschäftsführer, Herrn Stiller im Bericht der Riedinfo vom 10.08.2022 wurden Anbauflächen von Ackerbaubetrieben erworben oder gepachtet, die aufgegeben haben. Die meisten hatten vorher schon Probleme. Hier wird deutlich, dass das Akquirieren von Fläche durch Großinvestoren den Interessen von Familienbetrieben entgegen steht, bedingt durch die finanziellen Möglichkeiten, die einem Großinvestor offen stehen. Dies widerspricht dem Programm Ökomodell-Region-Land-Hessen lt. Hess. Ministerium und Kreis GG, demzufolge kleine, vor allem Bio- betriebene Betriebe unterstützt werden sollen.

Artenschutz:
Die geplante Überbauung mit Glas schließt alle heimischen Tier- und Pflanzenarten aus und fördert das Artensterben. Ein paar Meter Blühstreifen und die Erweiterung eines Vogelschutzgebietes um 3 ha „als Ausgleichsmaßnahme“ sind nur untaugliche Kosmetik. Die angeblichen Ausgleichsmaßnahmen ( 9 ha) nehmen der Landwirtschaft noch weitere Produktionsflächen weg. Die Beschränkung des geplanten Anbaus auf nur wenige Gemüsearten führt zu erhöhtem Bedarf an giftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln. Monokulturen sind anfällig für Krankheiten, z. B. Tomaten für Braun- und Krautfäule. Zur Bekämpfung dieser Pilzkrankheiten werden vor allem Kupfer und giftige Spritzmittel verwendet. Nützlinge, die die Planer erwähnen, werden vor allem gezüchtete Hummeln zur notwendigen künstlichen Bestäubung sein.

Die Verglasung gefährdet auch Vögel, die oft nicht erkennen können, dass da Glas ist und sich beim dagegen Fliegen verletzen können. Bekannt ist, dass u.a. die Haubenlerche in diesem Gebiet heimisch ist, sie steht auf der Roten Liste!

Verknappung von Landwirtschaftsfläche, Flächenversieglung:
Durch den Bau des Gewächshauses würde ertragreicher Ackerboden zunichte gemacht und langfristig dem Anbau von Produkten entzogen, die für die Grundversorgung der Bevölkerung durch Freilandanbau wichtig sind: Weizen, Kartoffel, etc. Die Versiegelung für Gewächshäuser, Lager- und Aufbereitungshalle, Verkehrswege, Parkflächen, Mitarbeiterwohnungen usw. muss daher dringend vermieden werden. Flächenversieglung für Bau- und Industriegebiete, Umgehungsstraßen, etc. führen dazu, dass die Ackerbodenflächen für die Versorgung der Bevölkerung schrumpfen, da KEINE Ausgleichsflächen für die Landwirtschaft vorhanden sind.

Versiegelung von Fläche geht ferner einher mit einer Erhitzung der Umgebungstemperatur bedingt durch die Aufwärmung der Außenfassade, sonstige Firmengebäude und -gelände etc., gerade im Sommer.

Substrat und Müll:
Auch auf Nachfrage schweigt sich Herr Stiller über die Herstellung und Zusammensetzung des Pflanzsubstrats aus. Seine Gemüsepflanzen sollen ja nicht im Erdboden wachsen, sondern in eingekauftem Substrat, das hergefahren und nach Benutzung wieder entsorgt werden muss. Es wird mit Plastikfolien zum Boden hin abgedichtet. Auch die müssen hergestellt, herantransportiert und später entsorgt werden. So viel Müll, wo doch gesunder Erdboden für Gemüse eigentlich die Ernährungsgrundlage ist!

Baukosten:
Für die Baukosten wurden anfangs ca. 30 Mio. € genannt – und sollen lt. Bericht vom GG Echo 26.09.2022 auch zwischenzeitlich nicht gestiegen sein – so der letzte Stand. Das kommt uns unglaubwürdig vor. Wir wissen nicht, ob Herr Stiller trotzdem, auch angesichts enorm gestiegener Energiekosten weiter beharrlich daran fest hält, ab 2024 in die Produktion einzusteigen. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Projekts zweifeln wir an.

Fazit:
Der BUND - Kreisvorstand Groß Gerau lehnt aus den vielen genannten ökologischen Gründen das Projekt ab.

Wer richtigerweise regionales Gemüse und Salat bevorzugt, ist im Winter mit Feldsalat, Lauch, Karotten, anderen Wurzelgemüsesorten und Kohl in allen seinen Varianten bestens bedient. Diese wachsen ohne jegliche Heizung, eignen sich zum Bio-Anbau und halten ohne Kühlung den ganzen Winter frisch.

 

i. A. des BUND Kreisvorstandes Groß-Gerau
Christine Allendörfer und Heike Muster

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb