Wiegen Hirschkäfer tatsächlich ihre Babys?
Diese knifflige Frage könnte in der täglichen Quizsendung „Wer weiß denn sowas?“ gestellt werden. Schüler aus der 6. und 7. Klasse der Anne-Frank-Schule in Raunheim wüssten darauf sofort die richtige Antwort. In einer Projektwoche haben sie sich nämlich im vergangenen Herbst mit der Errichtung von sog. Hirschkäferwiegen im Raunheimer Wald beschäftigt. Natürlich wiegen oder schaukeln die markanten Waldtiere ihre Winzlinge nicht wirklich, so wie die Menschenmütter.
Und doch.... Eine beteiligte Siebtklässlerin klärte auf: „Wir bauen so was Ähnliches wie Brutkästen, nämlich aus altem Eichenholz und Erde. Da können die Hirschkäferweibchen ihre Kinder hineinlegen.“ Mit den Kindern sind die Eier der weiblichen Käfer gemeint, die in einem künstlich, aber artgerecht errichteten „Ammenbau“ geschützt abgelegt werden können. Dieser besteht aus einem besonderen Nahrungssubstrat , nämlich durch Pilzbefall zermürbtes Totholz. Dadurch können sich die Larven innerhalb von immerhin 6-8 Jahren verpuppen und dann zu fertigen Hirschkäfern sicher heranwachsen.
Warum das so wichtig ist, erfuhren die Schülerinnen und Schüler von ihren Betreuern und einer Informationstafel, die über die Lebensweise der bedrohten Waldbewohner aufklärt.
Gerhart Thallmayer vom BUND Kreisverband, der das Projekt angestoßen hatte, erklärte: „Hirschkäfer stehen in Deutschland auf der roten Liste der besonders gefährdeten und zu schützenden Tierarten. Sie werden immer seltener, denn ihr bevorzugter Lebens-, Nahrungs- und Brutraum sind Baumstümpfe, Wurzeln , Alt- und Totholz abgestorbener Bäume. Bevorzugt werden morsche Eichen. Die aber verschwinden immer mehr. Das ist für den Fortbestand der holzbewohnenden Großkäfer gar nicht gut. Die Nützlichkeit der Käfer besteht darin, dass sie aktiv mithelfen, das durch Pilzbefall zermürbte Totholz in fruchtbaren Humus umzuwandeln. Da der Boden des Raunheimer Walds größtenteils aus wenig nährstoffhaltigem Sand besteht, ist dieser Humus mit seinem hohen Nährstoffgehalt besonders wichtig".
Dies hatte den jungen Tierschützern eingeleuchtet. Gemeinsam mit ihren Lehrkräften, Vertretern von BUND Kreisverbands und der Stadt Raunheim mit ihrem Städteservice gingen die Nachwuchs-Artenschützer mit Begeisterung an die Arbeit: In einem Kreis mit einem Durchesser von 3 m wurde die Erde 50 cm tief ausgehoben, um dann darin mehrere 80 cm lange Stücke alter Eichenstämme hochkant aneinandergereiht aufzustellen. Die Lücken wurden mit geschredderten Ästen oder Kronenholz sowie Sägespänen der Eiche zu einer nahrungsreichen und attraktiven „Brutkasten-Wiege“ für die Eier und der später daraus entwickelten Larven gefüllt. „Jetzt brauchen die Käferchen nur loslegen“, kommentierte am Ende ein Bub und legte seine Schaufel erschöpft, aber zufrieden beiseite.
Frau Jechimer, die Leiterin des Fachteams Umwelt- und Klimaschutz der Stadt Raunheim, hatte sich um die Koordination zwischen den unterstützenden Parteien gekümmert. Die Mittel für das Projekt wurden vom Städteservice aus dem Erlös eines Flohmarkts gespendet. „Das ist ein tolles Projekt, um der bedrohten Population der Hirschkäfer etwas entgegenzusetzen“, lobte sie.
Gerhart Thallmayer vom BUND zeigt sich inzwischen begeistert vom erfolgreichen Zusammenwirken verschiedener Organisationen und Kommunalstellen. „Ich hoffe, dass eine solch effektive, praxisnahe und gar nicht so schwer finanzierbare Kooperation in Sachen Artenschutz viel mehr Nachahmer finden wird.“
Text: Jutta Stern und Gerhart Thallmayer
Foto : Gerhart Thallmayer
Beitrag von rheinmaintv:
Hirschkäferwiegen für den Artenschutz - | rheinmaintv